Gefühle wollen gefühlt werden

Gefühle sind nicht deine Feinde.
Gefühle wollen gefühlt werden.

Dein Körper ist ein komplexes System.
Lass diesen Satz für einen Moment tief in dich einsinken.

Unsere kulturelle Gesellschaft der letzen Jahrzehnte ist geprägt von kurzen, prägnanten, alles auf wenige Punkte hinunterbrechenden Allgemeinaussagen. Der Fokus lag und liegt mitunter immer noch stark auf der kognitiven Leistung unseres Gehirns: Dem Denken. Dein Körper ist jedoch komplex. Das Leben ist komplex. Alles wirkt miteinander. Tief in dir bist du dir dessen sicherlich bewusst, aber unsere kulturelle Prägung ist so stark, dass Komplexität oftmals als etwas Abstraktes, vielleicht sogar etwas Esoterisches abgetan wird.

Dein Körper ist ein komplexes System, in dem Gedanken, Hormone und oberflächliche Gefühle miteinander interagieren, auf der Grundlage deines Glaubenssystems, das sich wiederum aus tieferliegenden Gefühlen speist. Denn ein Glaube ist kein Satz aus Worten, ein Glaube ist ein tiefverankertes Gefühl.

Jedes Gefühl darf sein.
Sind wir in unserer Gesellschaft "emotionale Analphabeten"?
Meine traurige Antwort ist: Ja! Aber nicht mit jedem Gefühl. Es gibt anscheinend Gefühle, die begrüßt werden und Gefühle, die tabuisiert werden. Eine limitierende Energie im Zusammenhang mit Gefühlen ist also sehr oft die Scham und Schuld. Der Umgang mit einigen wenigen Gefühlen wie beispielsweise Freude wird in unserer Entwicklung unterstützt. Der Umgang mit Trauer, Traurigkeit, Enttäuschung, Wut, Frustration und jeglicher Form von überschwänglicher Freude wird meist mit maßregelnden oder verstummenden Verhalten bestraft. Dabei darf jedes Gefühl, das existiert, auch einfach sein. Gefühle kannst du dir wie eine fließende Energie vorstellen. Wird ein Gefühl unterdrückt, obwohl es in dir aufsteigt, dann stagniert es in deinem Körpersystem, es kann dann nicht mehr durch dich hindurchfließen und dich auf etwas aufmerksam machen.

Denn Gefühle sind eine Form der Kommunikation. Gefühle geben dir in jedem Augenblick ein klares Signal: Fühle ich mich sicher, fühle ich mich unwohl, ist es ein Ja oder ist es ein Nein. Gefühle sind pure Kommunikation. Gefühle sind also eine Sprache. Sprichst du deine Sprache? Wenn also ein Gefühl in dir aufsteigt, du es aber blockierst, da es mit Scham- und Schuldgefühlen belegt ist, dann führt dieses Verhalten über eine längere Zeit hinweg zu einem Kommunikationsabriss.

Oftmals wird dieser Kommunikationsabriss beschrieben mit folgenden Worten:
Ich spüre mich nicht mehr richtig.
Ich habe kein Gefühl mehr für meinen Körper.
Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich tun soll.
Ich fühle mich leer.
Ich spüre keinen Sinn in meinem Leben.

Gefühle kann man nicht optimieren.
Oftmals wird Gefühlen in unserer kognitiven Gesellschaft mit einer abwehrenden Haltung begegnet: Wie kann ich das wegmachen, wie kann ich das stabilisieren, ich will wieder funktionieren. Es geht um Effektivität. Heilung bedeutet für viele Menschen „etwas wegmachen“. Der Körper funktioniert so aber nicht. Der erste Schritt ist immer ein Perspektivwechsel, eine Horizonterweiterung: Deine Gefühle sind nicht deine Feinde. Deine Gefühle sind deine besten Beraterinnen. Sie möchten dich auf etwas aufmerksam machen. Nun liegt es an dir: Kannst du dir zuhören? Kannst du einfach nur mit und bei dir sein, ohne etwas verändern zu wollen? Kannst du mit Liebe und Mitgefühl auf dich schauen?

Gefühle wollen dir nichts Böses. Sie wollen einfach nur gefühlt werden. Das braucht Achtsamkeit und Zeit. Es braucht einen Raum, in dem ein Gefühl aufsteigen, wie eine Welle brechen und dann wieder abflauen kann. Das ist die Wirkweise eines Gefühls. Die Information, die in diesem Gefühl liegt, zeigt sich dann genau in diesem Prozess des Fühlens.

Das Leiden, die Schwere, die Anstrengung in Beziehung zum Fühlen liegt nicht im Prozess des Fühlens, sondern in der Verbindung mit den durch Glaubenssätzen verankerten Ängsten in Beziehung zu einem Gefühl.

Dich aufs Fühlen einzulassen, braucht seine Zeit. Es ist bei jeder Person unterschiedlich. Aus dem Kopf hinunter in den ganzen Körper zu kommen, braucht Übung und Zeit. Es ist eine Sprache, mit der du geboren wurdest, die du nun aber wieder lernen musst. Dabei wird sich dein Leben wandeln, Einiges wird sich verändern und du wirst Entscheidungen treffen müssen, die vielleicht nicht einfach sein werden. Das benötigt seine Zeit, denn du möchtest dich dabei nicht überfordern. Wenn du dich dabei nämlich überforderst, würdest du wieder nicht auf deine Gefühle hören, sondern über deine Gefühl hinweggehen, um etwas zu erreichen, was du dir mit deinem Denken vorstellst. Du siehst also: Fühlen ist komplex, denn das Leben ist komplex. Kannst du dich auf Komplexität, Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit einlassen? Mehr ist es am Anfang auch nicht: Ein Einlassen auf dich selbst in einer mehr verkörperten Art und Weise. Alles andere folgt darauf.

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